kaum ständig noch

Phänomenologie der Männlichkeit als Wersein


Michael Eldred


artefact text and translation
Cologne, Germany


2. Männlichkeit als Wersein

f) Eine zurückbezogene Phänomenologie des Narzißmus


Version 2.1 July 1996
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Inhaltsverzeichnis dieses Kapitels


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    2. f) Eine zurückbezogene Phänomenologie des Narzißmus

  1. Die Phänomenologie denkt die Phänomene, das, was sich von selbst her zeigt. Nur weil Seiendes sich von sich her zeigt, kann es seine phänomenologische Wahrheit, d.h. Unverborgenheit, geben. Apophainesthai, die mediale Bildung vom Zeitwort apophaineini, heißt aber nicht nur wie dieses "das Sichzeigende kundtun bzw. aufweisen", sondern auch "sich (mit seiner Geschicklichkeit) sehen lassen", "sich (vor den Anderen) zur Schau stellen". Das Medium bezieht das Seiende, das sich zeigt, auf den Menschen selbst, und d.h. auf den männlich Seienden selbst, zurück. Die in der vorliegenden Abhandlung verfolgte Ontologie der Männlichkeit ist also eine zurückbezogene (reflektierende) Phänomenologie, die nach den Erscheinungsweisen des üblicherweise in seiner männlich-alltäglichen Gegebenheit ausgeklammerten Fragenden selbst fragt. Wenn der Fragende als Ich oder als Selbstbewußtsein bestimmt wird, erscheint der männlich Seiende nur in der Innerlichkeit seiner eigenen Subjektivität, was eine von der Welt der Erscheinungen abgetrennte Subjektivität voraussetzt. Die Phänomenologie des frühen Heidegger hat sich zur Aufgabe gesetzt, diese Weltlosigkeit der Subjektivität zu überwinden, freilich ohne danach zu fragen, wie der männlich Fragende selbst sich als männlich Seiender zeigt bzw. sich verbirgt. Der männlich Seiende läßt sich sehen als der, wer er ist, als Wer. Das phänomenologisch-'geschlechterontologische' Denken denkt diesem Sichzeigen des männlich Seienden als Wer (und auch seinem Sichverbergen; vgl. Kap. 3) nach. Der Terminus "Primärnarzißmus" hat deshalb in diesem Kontext keine psychologische Bedeutung, die sich mit einer Begrifflichkeit etwa der Libido, des Lebenstriebs oder eines Willens zur Macht fassen ließe, sondern eine ursprüngliche phänomenologisch-ontologische. Es wird nach dem Sein des männlich Seienden gefragt, danach, wie er sich zeigt und also ist. Als Wer sich zu zeigen ist die männliche Seinsweise.

  2. Schon das Sich indiziert eine Reflexion auf den männlich Seienden selbst zurück. Das Sich selbst muß ins Zentrum des Denkens rücken, da sich die Männlichkeit um die Konstituierung des männlich Seienden als Wer dreht, was wiederum die Aufmerksamkeit darauf richtet, wie der männlich Seiende sich in der Welt versteht. Primärnarzißmus heißt in diesem Kontext die ontologische Struktur des männlichen In-der-Welt-seins als eines Sich-findens und also eines Sich-formens als Selbst in der Welt. Für den Wer muß die Welt das Gepräge seiner Identität tragen; die Welt ist Spiegel, in dem er sich widergespiegelt findet. Durch die Widerspiegelung wird das Sich des Wer gebildet und ausgebildet. Deshalb ist das Verhalten des Wer wiederum immer auch ein Sichzeigen, sein Sich-zeigen in dem, was man kann, d.h. was man unter den Seienden zustandezubringen vermag. Am Rand des Sich hört für den selbstbezogenen Wer auch die Welt auf; wo keine Widerspiegelung seines Sich, da kein Interesse; der Wer ist nicht mehr unter den Seienden, wo er Sich nicht mehr widergespiegelt findet. Unter anderem heißt dies, daß der Andere als Anderer in der Sich widerspiegelnden Welt des Wer nicht erscheinen, nicht angehen kann.[1] Daß der männlich Seiende immer sich selbst zu sein hat, daß er immer unbezüglich auf sein Selbst zurückverwiesen und -geworfen wird, reicht nicht aus für eine ontologische Bestimmung des Wer, da das Selbst des Wer sich nicht damit zufrieden gibt, seine unbezügliche Existenz zu existieren, sondern, um als Wer zu sein, darüber hinaus das umgebende Seiende als Spiegel seines Sich besetzt und besetzen muß. Die be-zeichnende Marke der Besitznahme von Welt durch den Wer ist der Eigenname. Überall findet der Wer sich selbst markiert in seinem Eigennamen. Nicht nur im Eigentum, sondern vor allem in der Rede von Anderen wird der Wer widergespiegelt. Wenn der Eigenname in der Welt widerhallt, erst dann ist der Wer eigentlich Wer. Aber diese Bemerkung ist an dieser Stelle ein Vorgriff. Das ek-sistierte, hinausstehende Verhältnis zwischen Eigennamen und Verhaltenslarven hat unter anderem zur Folge, daß sich die Haltung seines Verhaltens für die Anderen grundsätzlich vom Namen nicht lösen läßt. Das Aussehen wie... (von sich aus) als Ansehen (für den An-blick der Anderen) erscheint ausschließlich als namen-haft. Die Namenhaftigkeit erlaubt die Zirkulation des Wer in der Mitwelt. Dieser Sachverhalt wird uns später (Kap. 4) nochmals beschäftigen.



      Anmerkungen 2. f)


    1. Wie der Andere den Wer dennoch angeht, wird in späteren Kapiteln behandelt. Back

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