kaum ständig noch

Phänomenologie der Männlichkeit als Wersein


Michael Eldred


artefact text and translation
Cologne, Germany


8. Der Mythos vom Phallus

f) Der phallische Übergriff der poiesis auf die physis


Version 2.1 July 1996
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Inhaltsverzeichnis dieses Kapitels


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    8. f) Der phallische Übergriff der poiesis auf die physis

  1. Im phallós liegt aber zugleich ein Übergriff auf die physis derart, daß der männlich Seiende diese unter die Herrschaft der poíesis bringt. Wenn die physis "Von-sich-aus-aufgehen" bedeutet, läßt sich dies auch poietisch deuten als ein Sich-selbst-machen. Die von der physis her Seienden werden anfänglich poietisch erfahren als Sich-selbst-machende, d.h. ihre Seinsweise wird als Autopoiesis gefaßt. Der männlich Seiende als physishaftes Wesen bringt allerdings sich selbst in der Lichtung des Seins zu Stande, indem er auf das Seiende zugreift. Das Seiende wird nicht sich selbst überlassen, um von sich aus aufzugehen, sondern wird unter die Herrschaft des poietischen Blicks genommen, damit der männlich Seiende im Hervorbringen eines Seienden sich selbst als ein Ständiges hervorbringt, d.h. physishaft sich selbst macht. Der männlich Seiende als poietés wird zur arché des Seienden, zum herrschaftlichen Ausgang eines Umschlags in anderes Seiende. Der poietés nimmt die physis in sich auf und überbietet sie zugleich, indem er zum machenden Urheber von Seiendem wird. Das übrige Seiende fällt unter den Blick des poietischen Wissens, und der männlich Seiende rückt als Urheber in die Mitte des Seienden im Ganzen. Die Voraussetzung dafür ist, daß die physis als Seinsweise zuerst von der poíesis her als ein Sich-selbst-machen entworfen wird. Die physis als ein Sich-selbst-machen erlaubt den männlich Seienden, sich phallisch als ein Ur-Heber von Seiendem zu entwerfen derart, daß das physishafte Seiende als bloße Autopoiesis entworfen wird.

  2. Deshalb ist das Zeugen als 'natürliches' Hervorbringen nicht phallisch. Der Phallus nennt die Aneignung der physis durch die poíesis in der Weise, daß der männlich Seiende sich geschichtlich als der poietés aufspielt. Indem der männlich Seiende als herrschende arché/ auf das Seiende zugreift, um es im Licht des technéhaften Wissens zu verwandeln und so als Produkt und Werk hervorzubringen, bringt er sich selbst als ein ständig Seiendes in die Anwesung. Der männlich Seiende entspricht dem Ruf der ständigen Anwesung, indem er die Seinsweise eines herrschenden Ausgangs über einen Umschlag im Seienden erstrebt.

  3. Der männlich Seiende west im Gewer als Wer, der, wie in früheren Kapiteln dargelegt, an seinem Eigennamen haftet. Er ist mitseiend in die Sprache geworfen, und zwar zunächst durch das Gerufensein durch seinen Eigennamen, was aber nur geschehen kann, weil er bereits zuvor vom Sein selbst in die Eigengenanntheit gerufen ist. Die Namenhaftigkeit vereinzelt den männlich Seienden als einzelnen Wer, der sich in der politischen Agonistik bewähren muß, wenn er als Wer gelten, d.h. sein sollte. Vereinzelt seinen Eigennamen tragend, ist der männlich Seiende für sich im Gegeneinander. Sein mitweltliches Wersein ist durch Fürsichsein gekennzeichnet. Fürsichsein heißt selbst-ständig anwesen, griechisch: anwesen kath hautó/ und choristón (abgetrennt, selbst-ständig), Seiendes sein. Diese Merkmale kommen dem griechisch erfahrenen Sein, der ousía, notwendigerweise zu. Der Phallus nennt das Sein des männlich Seienden, seine Seiendheit, die ousía des männlich Seienden als solchen. Die unlösliche sprachliche Verbindung, die zwischen seinem Eigennamen und seinen Hervorbringungen in der 'politischen' Lichtung der Mitwelt besteht, läßt den männlich Seienden als Individuum und Urheber (poietés) in der pólis erscheinen und scheinen. Sein von sich aufgehendes, namentragendes Wersein ist Urheberschaft als Hervorbringung von Seiendem in die Unverborgenheit aufgrund eines wissenden Könnens. Die Urheberschaft läßt den Wer ein Ansehen oder sogar einen Ruhm genießen. Der untergehende, zur Verborgenheit gehörende Wer dagegen trägt nur die Verantwortung für sein Versagen als Hervorbringer. Der Versager vermag mit dem Seienden nichts anzustellen. Das Gewer ermöglicht als Dimension die fürsichseiende Urhebung als Aufstieg im Vertikalen sowohl wie als Abstieg des Niemand in die Verborgenheit. Die Urheberschaft ist ein Modus der Überheblichkeit (vgl. Kap. 5). Sie basiert stets auf einem Wissen, einem Sichverstehen auf Hervorbringung in irgendeiner Art und Weise, was immer auch eine Art der Entbergung von Seiendem ist. Die Lichtung des Gewer ist also auch technéhaft geprägt durch die Techniken der wissenden Entbergung, die den Wer einen Stand im Miteinandersein ermöglichen, d.h. ihn selbst als Seiendes aufgehen bzw. hervorgehen läßt. Als solches ist das Gewer also ein Locus der Wahrheit über das Seiende. Durch den göttlichen Phallus wird das Seiende in seine Seiendheit gestellt und damit die Voraussetzung dafür geschaffen, daß die poíesis das Seiende aufschließt und herausfordert.



      Anmerkungen 8. f)


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