kaum ständig noch

Phänomenologie der Männlichkeit als Wersein


Michael Eldred


artefact text and translation
Cologne, Germany


8. Der Mythos vom Phallus

a) Die ungedachte Männlichkeit


Version 2.1 July 1996
e-mail: artefact@t-online.de


Inhaltsverzeichnis dieses Kapitels


Copyright (c) 1985-1996 by Michael Eldred, all rights reserved. This text may be used and shared in accordance with the fair-use provisions of U.S. copyright law, and it may be archived and redistributed in electronic form, provided that the author is notified and no fee is charged for access. Archiving, redistribution, or republication of this text on other terms, in any medium, requires the consent of the author.

    8. a) Die ungedachte Männlichkeit

  1. Bei der Gegenüberstellung stoßen die von Jagger und Heidegger stammenden Mottos hart aneinander und lassen die Selbstherrlichkeit eines sogenannten phallischen Bewußtseins gegen den Hintergrund der äußersten philosophischen Verhaltenheit schroff aufblitzen. Dazwischen fragt Irigaray keck nach einem vermuteten Wesensmerkmal des Phallus. Und doch: wenn es einen lógos des Phallus überhaupt geben sollte, ist er zunächst im gemeinen Alltäglichen - wenn auch als ein Ungeheures - aufzuspüren, von wo auch die Heideggersche Existenzialanalytik ihren Ausgangspunkt nimmt. Es wird sich herausstellen, daß das Wesen des Phallus in seinem Ursprung gerade wenig mit der selbstherrlichen sexuellen Anspielung zu tun hat - wohl aber mit einer gewissen Ständigkeit.

  2. In diesem Kapitel wird es darum gehen, die Entfaltung der Männlichkeit als Wersein in den vorhergehenden Kapiteln noch einmal zusammenzufassen in einem Sagen, das das Wersein anders - sagen wir: mythisch - nennt. Was hier unter Mythos (mythos) zu verstehen ist, wird weiter unten erläutert. In den 4. und 5. Kapiteln war die Rede von einer "Vertikalität" in der politischen Dimension, in der sich die agonistisch aufeinandertreffenden männlich Seienden vermessend vergleichen, und in der der Ruf und der Ruhm eines männlich Seienden hallen und geortet werden können. Die politische Öffnung des Mitseins, deren Offenheit vom Sein her gedacht werden muß und in der sich die männlich Seienden als männlich Seiende zur Wehr setzen, läßt nur die personae der Werseienden aneinander reiben und garantiert deshalb die gegenseitige formale, steife Gleichgültigkeit. Die Möglichkeit der Berührung dazwischen hingegen als Ausnahmemöglichkeit der männlichen Existenz ist denjenigen vorbehalten, die sich dem überhebenden Vergleich tendenziell entziehen und sich in der Offenheit für den sich gegenseitig zuspielenden Entwurf ihrer differierenden Selbst-Wahrheit begegnen. Dort verwandelt sich die Agonistik von einem kalkulierend-gleichgültigen Gegeneinander und einem polemischen Sichmessen in ein Sichstreifen, das auch einen Streit um den jeweiligen Selbstentwurf als Möglichkeit zuzulassen vermag.

  3. Es gilt, etwas Neues zu denken, nämlich die von der Metaphysik unterschlagene Männlichkeit des vom Sein in Anspruch genommenen Menschen. Dieses Neue ist auch etwas ganz Altes, das die abendländische Geschichte stillschweigend und verborgen begleitet und sich uns erst heute aus der Zukunft aufdrängt als ein Zu-denkendes: der männlich Seiende ist metaphysischen Wesens, d.h. sein Wesen entspringt dem ersten Anfang. Hier haftet am Zu-denkenden das Triviale und Klischeehafte, wie z.B. daß im Gegeneinander des Miteinanderseins männlich Seiende sich gegenseitig vertikal einordnen. Wenn wir nicht bloß versuchen, das Triviale an dieser Tatsache dadurch zu differenzieren und somit zu enttrivialisieren, daß wir anfangen, historisch oder anthropologisch zu denken, und auf diese Weise mittels einer Tatsachenvielfalt eine Bewegung des Unterscheidens in das Denken bringen - um damit etwa eine Ideengeschichte der Rivalität unter männlich Seienden zu verfassen -, oder daß wir den Umstand mit einer kritisch-moralischen Wertung belegen, bleibt uns nichts anderes übrig als zu versuchen, das Einfache selbst zu denken, was in diesem Fall heißt, das scheinbar 'naturhafte' Vertikale selbst zu bedenken. Aber wo finden wir einen Anhaltspunkt im Einfachen und Trivialen eines allzu bekannten Phänomens? Vielleicht indem zunächst versucht wird, die Natur selbst zu denken, die nichts Natürliches und durch ihre eigene Geschichte geprägt ist. Zu diesem Zweck bleiben wir nicht bei den neuzeitlichen Sprachen und Denkweisen, sondern rekurrieren, der Sache gemäß, auf das Griechische, wo das (abendländische) Denken über die Natur überhaupt als ein Denken des Seins des naturhaft Seienden anfängt. Also doch historisches Denken? Nein, sondern ein Denken, das von seinem geschichtlichen Ursprung weiß und deshalb nicht gedankenlos mit neuzeitlichen Vorstellungen operiert.



      Anmerkungen 8. a)


    1. Back

    2. Back

    3. Back

    4. Back

      artefact