kaum ständig noch

Phänomenologie der Männlichkeit als Wersein


Michael Eldred


artefact text and translation
Cologne, Germany


5. Agonistisches Aneinandergeraten

c) Denkerisches Patriarchat


Version 2.1 July 1996
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Inhaltsverzeichnis dieses Kapitels


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    5. c) Denkerisches Patriarchat

  1. Das Aufgehen als Seiendes, sofern hier Seiendes menschlich Seiendes meint, muß erkämpft werden, um dem Vater zu gehorchen, d.h. dem waltenden Aufgehen zu entsprechen, und das gilt auch für die Menschen, die sich mannhafterweise durch die Auseinandersetzung in Freie und Knechte, in Über- und Untergeordnete scheiden. Gleichwohl bewahrt die Auseinandersetzung die Sammlung der Aufgegangenen in der Rangordnung ihrer unterschiedlichen Ständigkeit. Diese zur Ständigkeit herausfordernde Auseinandersetzung ist der abendländische pater, der das Patriarchat ins Denken bringt, anstatt es wie üblich im begrifflosen Raum einer Anthropologie als 'Männerherrschaft' schweben zu lassen. Das abendländische Patriarchat ist im Wesen keine Männerherrschaft, sondern zuallererst dasjenige Walten des Seins, welches das Seiende in seine Ständigkeit in der Lichtung der Wahrheit des Seins bringt, und d.h. erzwingt. So betrachtet ist die Ankunft des Vaters in der abendländischen Geschichte das Anbrechen in das Denken des über Alles waltenden Seins. Dieser Vater des Westens jedoch bringt die Auseinandersetzung mit sich, die das Aufgehen des Seienden zu einem Kampf macht. In diesem Fragment allerdings spricht Heraklit die Götter und die Menschen, die 'höheren' Wesen, an. Deren Aufgehen gilt es als erstes zu betrachten. Es ist eine Auseinandersetzung um den Rang in einer Hierarchie, die Götter, Freie und Sklaven umfaßt. Das Sein selbst hat etwas Herausforderndes, das in der vorliegenden Abhandlung mit der Ständigkeit des Wer benannt wird. Der Freie gilt mehr, steht höher, ist (wer-)seiender als der Sklave. Wer höher steht, entscheidet die Auseinandersetzung. Ohne Auseinandersetzung, keine Hierarchie der Werseienden. Aber ohne Auseinandersetzung um den Stand in der Hierarchie gibt es auch kein Wersein, denn Wer zu sein bringt es mit sich, mit seinem Ruf (Gehör)-Raum zu erkämpfen und einzunehmen, im Raum der Mitwelt hervorzuragen. Die Auseinandersetzung kann entweder untereinander sein oder mit dem Seienden, etwa mit dem Werk, das zustande gebracht werden muß. Im Grunde aber ist beides dasselbe, denn der Ruf eines Wer basiert auf dem, was er zustande bringt oder auch nicht, er ist poietischen Wesens.

  2. Mit dem Heraklitischen polemos im Blick gilt es jetzt noch zu fragen: Gibt es den Krieg im Abendland der 'menschlichen Natur' gemäß als Kampf um das Überleben von Gesellschaften (in einer Welt der 'knappen Ressourcen'), was dann die Notwendigkeit von tapferen Männern hervorruft, um das 'Vaterland' zu verteidigen? Soll gar der Krieg auf eingeborenen Aggressionsinstinkten der Menschen gründen, die auch im 'Tierreich' ohne weiteres zu beobachten sind und auch 'wissenschaftlich bewiesen' werden können? Ist der Krieg etwa eine Sache des 'survival of the fittest', der sich evolutionstheoretisch durch die allmähliche Aszendenz des Menschen vom Tier erklären läßt? Gibt es den Krieg wegen eines Mangels an - den Menschen als solchen auszeichnender - Vernunft unter den Menschen? Ist der Krieg der Vernunft gemäß oder vernunftwidrig? Oder muß man überhaupt aus der Unterscheidung zwischen Instinkt und Vernunft heraussteigen, um das Wesen des Kriegs zu erfassen? Gibt es nämlich den abendländischen Krieg eher in der Entsprechung zum grundlosen Entwurf des Seins als ständiger Anwesung, um die Tapferkeit und die Mannhaftigkeit, dem Sein als ständigem Wer gemäß, unter Beweis zu stellen, d.h. damit die männlich Seienden sich als männlich Seiende verwirklichen können, damit sie männlich Seiende sein können? Werden die männlich Seienden als solche vom Sein gebraucht? Wenn der (anthropologische) Appell an das begrifflos Natürliche - die wiederum durch die Wissenschaft zugänglich sein soll - in der Philosophie jedes Mal von Übel ist, da er einen Denkmangel und ein Denkverbot des vulgären Verstandes in sich birgt, die metaphysische Voraussetzungen unterschlagen, dann können wir uns mit selbstverständlichen positivistischen Erklärungen wie der obigen nicht zufrieden geben, und seien sie auch noch so einleuchtend oder historisch wissenschaftlich abgesichert. Selbst und in besonderem Maß muß die Natur als etwas Zu-hinterfragendes gelten, wenn wir uns in der Nähe der Frage nach dem Wer und a fortiori in der Nähe der Seinsfrage aufhalten. Auch die Natur ist etwas Geschichtliches, sie steht nicht im Gegensatz dazu, denn auch sie geht in der Lichtung des Seins als seinsgegeben auf.



      Anmerkungen 5. c)


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